25.03.2020 - Sporthilfe Emsland

Corona zwingt Ruderer zurück in die Heimat

Luisa Neerschulte und Jan Hennecke haben USA verlassen / Zwischen Ergometer und Online-Studium

Lingen Eigentlich haben sich die Lingener Ruderer Luisa Neerschulte und Jan Hennecke auf eine spannende Rudersaison der US-amerikanischen Hochschulen gefreut. Beide studieren in den Staaten. Doch das Coronavirus hat für eine Absage der Wettbewerbe dort und eine frühzeitige Heimkehr der beiden emsländischen Spitzensportler gesorgt.

Hennecke, dessen Heimatverein die Lingener Rudergesellschaft ist, hat 2018 ein Sportstipendium von der Northeastern University in Boston im US-Bundesstaat Massachusetts erhalten. Dort studiert der Juniorenweltmeister von 2015 im Vierer mit Steuermann Maschinenbau. Doch damit ist, zumindest, was die Präsenz in den USA angeht, vorerst Schluss. Seit dem vorletzten Wochenende weilt der Lingener wieder in seiner Heimatstadt. „Als am 9. März in Boston die ersten Corona-Fälle bekannt wurden, haben die Behörden sofort gehandelt und alle Schüler und Studierenden sofort nach Hause geschickt“, sagt Hennecke.

In den USA, in Boston, sei sehr, sehr schnell gehandelt worden. Restaurants hätten nur noch liefern oder einen Abholservice anbieten dürfen. Der ÖPNV in Boston sei kaum noch genutzt worden, und Unternehmen hätten innerhalb weniger Tage auf Homeoffice umgestellt. „Ich habe das Gefühl, das Problem wurde zu diesem Zeitpunkt hier in Deutschland noch nicht so ernst genommen wie in den USA“, sagt Hennecke. Wobei er eine Gemeinsamkeit zwischen Deutschland und den USA sieht: die föderale Struktur. „Den ersten Corona-Fall der USA gab es in Kalifornien. Dort hat man vor Boston reagiert, und dann gab es einen Dominoeffekt“, hat Hennecke beobachtet.
Sein Studium, das noch zwei Jahre dauern soll, läuft trotzdem weiter. „Klausuren, Tests, Hausaufgaben – alles geht jetzt online“, erklärt der Sportler. Auf das gemeinsame Training mit seinen Kommilitonen, die 2019 schon in Lingen zum Trainingslager zu Gast waren, muss Hennecke vorerst verzichten. Und auch die Trainingsräume der LRG sind geschlossen. Doch er hält sich alleine fit. Zwischen Autoreifen, einem Kompressor und einem dort abgestellten Fahrrad absolviert Hennecke seine Trainingseinheiten auf dem eigenen Ergometer im Keller der heimischen vier Wände.
„Der Sport hat mir viele Erfahrungen im Leben gebracht“, sagt Hennecke. Für ihn spiele das Rudern eine große Rolle. „Aber niemals eine größere als der richtige Umgang mit dieser Situation“, betont der Lingener Ruderer.„Alles ist so surreal“

Ein Jahr nach Hennecke hat es auch Luisa Neerschulte in die USA gezogen. Seit 2019 studiert die Lingener Ruderin und Ergometer-Vizeweltmeisterin 2018 dort an der Rutgers University im Bundesstaat New Jersey Betriebswirtschaft. Auch sie hat ein Stipendium erhalten, um das Ruderteam ihrer Universität zu verstärken. Eine Woche später als Hennecke ist die vom ESV Lingen stammende Sportlerin am Samstag, 21. März, aus den USA nach Deutschland zurückgekehrt. „Es ist alles so surreal hier“, schrieb Neerschulte unserer Redaktion nur wenige Tage vor ihrer Rückkehr. Der Campus ihrer Universität sei auf einmal leer gefegt gewesen. „Beim Frühstück haben wir noch Witze darüber gemacht, dass der Campus geschlossen werden könnte, mittags war es dann so weit“, beschreibt Neerschulte die sich auch in New Jersey in der vergangenen Woche überschlagenden Ereignisse.
Aktuell gelte in dem US-Bundesstaat eine von 20 Uhr abends bis 5 Uhr morgens andauernde totale Ausgangssperre. „Ich denke, damit wollen die Behörden Partys verhindern“, sagt Neerschulte. Denn solche hat sie selbst bis zum Tag ihres Rückflugs aus den Staaten noch beobachtet: „Da saßen einige Bekloppte noch im Hof des Campus beim Bier zusammen.“ Neerschulte hält weitere Einschränkungen des alltäglichen Lebens in New Jersey für möglich. „Dort wird über Patrouillen der Nationalgarde nachgedacht“, beschreibt sie einen in Deutschland so nicht denkbaren Einsatz des Militärs in der Corona-Krise.

Auch Neerschulte kann ihre Studienleistungen derzeit online erbringen. Trotzdem wird sie wohl, wenn es denn zum Wintersemester 2020/2021 zurück in die USA geht, dort ein Jahr länger bleiben als geplant. Bis zu ihrer Rückkehr dorthin hält sie sich zu Hause fit: „Ich trainiere auf dem Radergometer Kondition, mit der Hantelstange Kraft und auf dem Ruderergometer beides“, sagt Neerschulte.
„Leiden“ unter der vorzeitigen Rückkehr seiner Tochter Luisa muss übrigens Vater Hubert Neerschulte. Der Besitzer des Hotels und Restaurants Hubertushof im Lingener Ortsteil Schepsdorf hat als von der behördlich angeordneten Schließung seines Gastronomiebetriebes Betroffener aktuell mehr Zeit, als ihm lieb ist. Doch Luisa Neerschulte weiß, wie ihr Vater die nutzen kann. Im zum provisorischen Fitnessstudio umgerüsteten Saal des Hubertushofes „quält“ sie ihren Vater, weil sie eines angeordnet hat: „Der Hubert treibt ab sofort täglich Sport.“

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